Genau wie alle anderen sehnt man sich als Papiermacher den Sommer herbei. Vielleicht aber aus besonderen Gründen: Zum einen macht die Arbeit mit Wasser im Sommer noch mehr Spaß und die besten Gummistiefel sind noch immer gar keine Schuhe; zum anderen ist die Natur einfach die beste Inspirationsquelle für schöne Papiere.

Letzte Woche konnte ich endlich ein Sommerprojekt umsetzen, das schon länger in der Schublade liegt. Bei der Fahrt durch den Nürnberger Wiesengrund fiel mir immer wieder eine Pflanze auf, die sich dort seit einigen Jahren angesiedelt hat: der Japanische Riesenknöterich. Es handelt sich um einen sogenannten invasiven Neophyten. Eine eingeschleppte Pflanze also, ein Migrant, ein Flüchtling der Pflanzenwelt. Urspünglich einmal gezielt eingeführt als Äsung für Rotwild und Deckung für Fasane und schließlich auch von Imkern stark verbreitet, wird der Knöterich heute als Ärgernis und Gefahr für die Biodiversität eingestuft, da er sich  erstaunlich schnell ausbreitet und sehr schwer zu beseitigen ist.

Anstatt in das allgemeine Wehklagen einzustimmen, war es mir als Papiermacher und als Mensch mit einem sehr positiven Pflanzenbild daher ein Anliegen, mich einmal eingehend mit den Qualitäten und Chancen dieser Pflanze zu beschäftigen, nicht nur mit den Risiken. Und tatsächlich, der Knöterich ist ein durchaus brauchbarer Faserlieferant für Papier!

Arbeitstitel für das Papier lautet „K21“, da in der Kalenderwoche 21 geerntet. Nächste Woche wäre das Papier schon ein anderes, da die Pflanze von Woche zu Woche stärker verholzt.

Mit Sarahs Hilfe erntete ich ca. 15-20 kg frischen Knöterich, ließ die Blätter gleich an Ort und Stelle und nahm die hohlen Stämme in einer Länge von ca 80cm bis 120cm mit in die Werkstatt. Dort wurden Sie zerkleinert und mit Zugabe von Pottasche etwa 2,5 h gekocht. Ich musste zwei 100 Liter Töpfe kochen, um eine ausreichende Menge für den Holländer zu erhalten. Das sich tief schwarz färbende Kochwasser musste schließlich möglichst gründlich ausgespült werden, bevor die Fasern im Holländer zu einem Faserbrei vermahlen werden konnten. Nach nur etwa einer Stunde im Holländer waren die Fasern ausreichend aufgebrochen. Vielleicht sogar etwas zu sehr. Beim nächsten Versuch werde ich noch mehr Fasern verwenden, da eine höhere Stoffkonzentration im Holländer eine noch schonendere Mahlung ermöglicht. Der Fasserbrei entwässerte relativ langsam über das Schöpfsieb, ließ sich aber nach einigen Versuchen wunderbar schöpfen.

Heraus kam ein hell knisterndes Papier in einem schönen Naturton und toller Struktur. Am besten gefiel mir die Durchsicht gegen die Sonne. Hier leuchtete das Papier in einem warmen Grüngold. Einzig die Knick und Falteigenschaften waren verbesserungsfähig. Nach etwas 15 mal Falten brach das Papier mir einer sehr geraden Bruchkante, vermutlich ausgelöst durch die zu niedrige Faserstoffkonzentration beim Mahlen. Ich gab also noch etwa 5 % Abacafasern in die Bütte. Armierung nennt man das, wenn man kurzen schwachen Fasern durch die Zugaben von längeren festen Fasern Festigkeit verleiht. Das Abaca fügte sich perfekt ein, lediglich etwas heller wurde das armierte Papier und hatte endlich die gewünsche Faltfestigkeit.

Das Papier kann gerne hier besichtigt werden. Verwendungsvorschläge bitte in die Kommentare! Und wer selber mal ein Sommerprojekt hat oder Pflanzen in Papier verwandeln will, der schaue doch bitte mal in unser Workshopprogramm oder spricht mich einfach so mal an! Einen schönen Sommer euch allen!

P.S. Solltet ihr, für welches Projekt auch immer, mit dem Japanischen Riesenknöterich arbeiten, dann geht verantwortungsbewusst damit um und sorgt trotz seiner Papierqualitäten nicht für seine Verbreitung. Seid euch bewusst, dass sich der Knöterich auch über kleine Stammreste etc. fortpflanzen kann. Daher Pflanzenreste immer nur im Restmüll entsorgen, sollten sie von der Sammelstelle entfernt werden!

One Comment

  • Jens Bonnermann sagt:

    Hallo Herr Schwethelm,

    klasse Idee, Neophyten so zu verwursten. Meine Idee wäre Geschenk- oder Verpackungspapier.
    Und vielleicht Bucheinbände (wie z.B. das adiFund idea book) oder Füllmaterial für Verpackungen.

    Gruß aus der Lobitzstraße 🙂

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